Lesetipp: „Gibt es Gründe?“ Achtung: Jess Jochimsens „Was sollen die Leute denken“ ist bodenlos witzig, aber nicht wirklich erheiternd.
Ein Mann denkt vor sich hin, die Gedanken wuchern, aber leider sind sie nicht so beschaffen, dass man sie äußern könnte. Zu verzweifelt, zu bitterböse. Draußen knospt es und alle sind glücklich, nur er bekommt das nicht hin. Die Frau, der Sohn, die Eltern, der Psychologe, Garten, Fernseher, Job – das ganze Leben ist von Erwartungen bestimmt, die er nicht erfüllen kann. Obwohl er sich größte Mühe gibt. Schon als Kind hat er nicht verstanden, warum die Erwachsenen seine Bilder so schockierend fanden, seine kopf- und armlose Familie, ganz in Schwarz. Statt ihn für verrückt zu erklären, hätten sie nur die richtigen Fragen stellen müssen. „Gibt es Gründe?“ zum Beispiel. Die Erklärung wäre ja einfach gewesen. Niemand fragt nach dem Grund, und so bleibt das Leben bodenlos fürchterlich. Aber auch witzig.
In Jess Jochimsens „Was sollen die Leute denken“ bekommt man keine Geschichte erzählt, sondern liefert sich dem assoziativen Gedankenstrom des Erzählers aus – und der mutet einem einiges zu. „Du lässt mich so gar nicht teilhaben an deinem Leben. Was denkst du so? Was tust du?“, fragt die Frau fordernd. Worauf er folgsam Auskunft gibt, aber zusätzlich einen Detektiv auf sich ansetzt, damit die Familie ihn besser versteht als er sich selbst. Rührend gewissenhaft versucht dieser Antiheld immer wieder, es seiner Umwelt recht zu machen. Sein Scheitern ist so komisch wie traurig.
Jess Jochimsen, Was sollen die Leute denken. dtv, 9,90 €. Auch als Hörbuch.