Lesetipp: „Mein Amrum“ von Annette Pehnt. Eine sanfte Schule der „genauen Leidenschaft“.

Ein Buch für Amrum-Liebhaber? Oder – in Covid-19-Zeiten – ein schmaler Reiseersatz? Nicht nur. Annette Pehnts „Mein Amrum“ nennt sich nicht Roman und ist auch keiner, könnte viel mehr poetisch-autobiografischer Reisebericht genannt werden, mit Einschüben zur nahen und fernen Vergangenheit der Insel und der Erzählerin. Das Besondere, Überraschende an diesem Buch ist für mich aber die behutsame Kraft, die es entfaltet, wohl ähnlich der Natur auf der Insel (die ich nicht kenne). Nichts Sensationelles geschieht. Stattdessen ist immer wieder einmal die Rede von unübersichtlich vielen Haupt- und Nebensachen, von der heilsamen Verwechslung des Wichtigen mit dem Unwichtigen, vom bewussten Verlaufen zwischen den Dünen. Gerade in Zeiten eines aufgeregt marktschreierischen Literaturmarktes tut die Zurückhaltung dieses Textes ungeheuer gut. Ich werde zum genauen Sehen eingeladen, zum sorgfältigen Wahrnehmen von Wirklichkeit, statt zur Verklärung, Übertreibung, Effekthascherei. Dabei wird mir nicht zuletzt bewusst gemacht, dass auch das Erzählen die Vergänglichkeit nicht aufhalten kann:
Texte: Archive der kleinen Dinge, mit genauer Leidenschaft erfasst, unermüdlich geordnet, bis jedes Detail sichtbar wird. Aber dass sich Staub absetzen kann, dass die Ordnungen in Vergessenheit geraten und die Dinge wieder in ihre Zufälligkeit zurücksinken – das kann niemand verhindern.

Annette Pehnt, Mein Amrum. Mare Verlag, 18€.

https://www.mare.de/buecher/mein-amrum-8293