Dorothée Leidig im Literatenporträt. Sie unterstützt Schreibende in verschiedensten Projekten und vermittelt professionelles Schreibhandwerk.

Sie sind eine Dienstleisterin in Sachen Literatur – aber was machen Sie eigentlich genau?

Meine Arbeit kann man in zwei Bereiche unterteilen: in die Einzelarbeit und in die Arbeit mit Gruppen.
In der Einzelarbeit berate und unterstütze Menschen bei ihren Schreibprojekten – vom Gedicht bis zur Doktorarbeit.  So verschieden wie die Texte sind auch die Menschen, die sich an mich wenden. Die gemeinsame Arbeit am Text hat deshalb stets eine sehr individuelle Farbe: Die eine braucht mehr Strukturhilfe, der andere ringt mit dem ersten Satz, dem Plot oder der Figurengestaltung, eine Dritte sucht vor allem Motivation und moralische Unterstützung, mit wieder einer anderen diskutiere ich sprachliche Feinheiten.

Meine Erfahrung zeigt, dass die allermeisten Menschen über weit mehr Potenzial verfügen, als ihnen bewusst ist. Deshalb ist es mir wichtig, die AutorInnen auch dabei zu unterstützen, ihre eigenen Möglichkeitsräume zu entdecken und auszuloten, die eigene (Schreib)Stimme zu entfalten, ihr zu vertrauen und so den eigenen Fluss zu finden. Mit der eigenen Kraft zu gehen, statt sich gegen sie abzuarbeiten, erleichtert so vieles. Ein großer Teil der Zusammenarbeit geschieht telefonisch und per E-Mail, mit den meisten AutorInnen treffe ich mich mindestens einmal persönlich; wenn sie in Freiburg und Umgebung wohnen, auch mehrmals oder regelmäßig.

Neben der Einzelarbeit steht die Arbeit mit Gruppen: Schreibwerkstätten (demnächst auch Schreibspaziergänge) sowie Bildungsurlaube und Seminare, in denen ich professionelle und kreative Methoden des Schreibens vermittle, wobei mir Individualität und Leichtigkeit sehr wichtig sind. Für Bildungsurlaub gibt es übrigens seit 2015 auch in Baden-Württemberg 5 Tage Sonderurlaub pro Jahr.

Warum lieben Sie (manchmal), was Sie tun?

Die Vielfalt der Menschen und Texte, die mir bei meiner Arbeit begegnen, begeistert mich immer wieder. Ich empfinde es als ausgesprochen erfüllende Aufgabe, anderen dabei helfen zu dürfen, ihre Potenziale auszuschöpfen, ihre Kreativität freizusetzen und sie für Sprache zu sensibilisieren. Die handwerklichen Fortschritte zu sehen oder an der Erleichterung teilzuhaben, wenn jemand es geschafft hat, eine Arbeit, die als unüberwindliche Hürde schien, rechtzeitig fertig zu bekommen und abzugeben.

Wenn ich am Ende eines Seminars höre: „Schade, dass es schon vorbei ist“ und die TeilnehmerInnen voller Ideen für ihr Schreiben nach Hause gehen, weiß ich, dass ich genau die richtige Arbeit mache.

Welches Buch hat Sie zuletzt beeindruckt? Warum?

Das war Anfang dieses Jahres John Steinbecks schmales Bändchen Von Mäusen und Menschen, die Geschichte zweier Wanderarbeiter, die von einem besseren Leben träumen und scheitern. Obwohl die Geschichte schon 80 Jahre alt ist, wirkt sie absolut frisch. Was mich – bei Steinbeck immer wieder – beeindruckt, ist die Meisterschaft, mit der er in wenigen Sätzen und Andeutungen seine Figuren so lebendig, einzigartig und glaubwürdig werden lässt, dass sie sich ins Gedächtnis einbrennen. Steinbeck braucht nichts Spektakuläres oder Mysteriöses, um Spannung aufzubauen und bis zum letzten Moment zu halten.

Wann finden Sie Literatur – oder auch den Literaturbetrieb – langweilig?

Ich langweile mich bei Büchern, die zwar handwerklich sauber wie aus dem Lehrbuch daherkommen, aber nichts zu erzählen haben. Ich langweile mich bei modischen Floskeln, Worthülsen und Blähwörtern, wenn ich die sprachliche und inhaltliche Sorgfalt vermisse oder wenn mir der erhobene Zeigefinger entgegenwinkt.

Worauf kommt es Ihrer Erfahrung nach an, um als Autor(in) im heutigen Literaturbetrieb zu bestehen?

Auf diese Frage habe ich keine allgemeingültige Antwort, denn es hängt sehr davon ab, in welchem Genre man bestehen muss oder möchte. Der Sachbuchmarkt stellt z. B. ganz andere Anforderungen als die Krimi- oder Fantasy-Sparte. Was man sicher immer braucht, sind Durchhaltevermögen, solides Handwerkszeug und eine gute Portion Glück.

 

Dr. Dorothée Leidig unterstützt seit 1997 Menschen bei ihren verschiedenen Schreibprojekten, zunächst vor allem bei wissenschaftlichen Arbeiten. 2009 sind die literarischen Projekte dazugekommen, die inzwischen den Hauptteil ausmachen. Fachliche Grundlage für ihre Arbeit sind neben der langjährigen Tätigkeit als Wissenschaftlerin zahlreiche Aus- und Fortbildungen, darunter: Studium der Fächer Germanistik, Ethnologie, Ur- und Frühgeschichte u. a.,Promotion in Germanistik, Ausbildung in systemischer Beratung und Fortbildungen in Dramaturgie, Erzähltechniken, Textstruktur, Didaktik, Vortragstechnik u. a.
Zu ihren Veröffentlichungen zählen eine lange Reihe an Sach- und Fachtexten sowie literarische Texte in Literaturzeitschriften und Anthologien. Sie war Stipendiatin des Förderkreises deutscher Schriftsteller in Baden-Württemberg und Teilnehmerin des Irseer Pegasus.
Mehr Infos unter http://www.textsieben.de