Lesetipp von Sylvia Schmieder: komm freund/ins off. Heide Jahnkes neuer Lyrikband „vom farbigen abglanz“ zeigt die charmante Meisterschaft dieser Lyrikerin in ihrer ganzen Bandbreite.

Lesetipp von Sylvia Schmieder: komm freund/ins off. Heide Jahnkes neuer Lyrikband „vom farbigen abglanz“ zeigt die charmante Meisterschaft dieser Lyrikerin in ihrer ganzen Bandbreite.

Die 1939 geborene Heide Jahnke aus Buchenbach hat erst mit sechzig Jahren literarisch zu schreiben begonnen – nach ihrer Familienphase mit zahlreichen Nebenbeschäftigungen, unter anderem journalistischer Tätigkeit für die „Badische Zeitung“. „vom farbigen abglanz“ ist ihre achte eigenständige Publikation. Der Titel spielt auf Goethes Verse an, die er dem „Faust II“ voranstellte und in denen die Indirektheit unseres Erlebens und Begreifens ausgedrückt wird: „Am farbigen Abglanz haben wir das Leben.“

naturbilder ist der erste Teil des Lyrikbandes überschrieben, und gleich wird klar, dass die Naturbetrachtung nach wie vor ihr Herzensthema ist. So in dem sechsteiligen Zyklus winterfarben. Die Wintersonne zieht fransen am dach lang, melkt und poliert sie/und drückt im gemütsgrau die taste löschen. Nicht nur hier arbeitet sie – für heutige Verhältnisse in der Lyrik – handwerklich außergewöhnlich versiert und sorgfältig, setzt Lautung, Rhythmus, Stil meisterhaft ein. Dennoch wirkt da nichts allzu gewollt oder in Verklärung erstarrt. Sie beschreibt genau, ohne zu schönen, und verbeugt sich auf immer neue Weise vor dem Geheimnis Natur.

dazwischen glänzt in altschnee und erstorbnem
zertretnem laub sehr rot ein keim
zorniges rot wie das von neugebornen
breitschultrig stemmt er sich aus seiner raum-
kapsel, ihrem braunpolierten lack
bereit, eichbaum zu werden oder wildschwein-
snack

Der zweite Teil, ortsbilder, wird schon im Untertitel ironisch. Der wohnraum/ für gehobene sprüche im grünen verdrängt genau dieses Grün, das wir so nötig haben. Und die Menschen bauen sich einen Schutzwall von gabionen/ein verließ ums teure eigenheim. So bissig, so reduziert und dennoch verspielt können das nur wenige. Auch in diesen Gedichten spielt die Natur eine zentrale Rolle, wird als (schwindender) Kraftort erlebt, ohne jedes esoterische Geschwurbel.

Immer häufiger klingt jetzt ein weiteres Thema an: Altern und Tod. Im letzten Teil, menschenbilder, gewinnt die Autorin dieser existentiellen Erfahrung besonders anrührende und gleichzeitig humorvoll-selbstironische Verse ab. So in dem Gedicht die rückständige, in dem sie Hölderlins „Der Gang aufs Land“ neu interpretiert:

trage was nachwächst das innre
gesicht in die dunkelnden wälder
dort gelassen zu bleiben 

pfeifend auf followers
abgehängt. komm freund
ins off

Ohne Selbstmitleid, charmant und brillant benennt sie die Schwächen unserer Zeit, ohne die eigene Schwäche zu verschweigen. Man kann nur hoffen, dass diese Autorin – im Gegensatz zu dem von ihr porträtierten misanthropen – noch lange nicht verstimmt verstummt.

Heide Jahnke, vom farbigen abglanz. Gedichte.
96 S. mit S/W-Fotografien von Arne Schneider
Drey-Verlag, ISBN 978-3-948482-10-7, 20.- €