Lesetipp: Stilles Wasser, tiefer Strudel. „Schöne grüne Welt“ von Berndt Schulz ist vielleicht kein Roman – aber unbedingt lesenswert.

Wer eine in sich geschlossene Erzählung mit Spannungsbogen braucht, wird enttäuscht werden. Jede der „Episoden vom Land“ ist einfach mit dem Vornamen ihres/ihrer Hauptfigur/en überschrieben. Diese wechseln ständig, wiederholen sich manchmal, werden ab und zu in anderen Episoden aufgegriffen – doch zumindest mich hat die Entwirrung des Beziehungsgeflechts überfordert. Ein Menschlein-Wechsle-Dich-Spiel, ein irritierender Reigen.

Mich erinnert die Struktur an „Manhattan Transfer“, den berühmten Roman von John Dos Passos, der das New York der Zwanzigerjahre mit ähnlich fordernden und bewusst überfordernden Perspektivenwechseln lebendig macht. Wie bei Dos Passos raubt auch hier ein Strudel aus Schauplätzen, Ereignissen, Charakteren (und Tieren und Pflanzen) dem Lesenden die Orientierung.

Nur geht es in „Schöne, grüne Welt nicht um eine Megacity, sondern um das Gegenteil: Episoden vom Land. Wie passt das zusammen? Der Strudel ist in diesem Fall tatsächlich ein langsameres, stilleres Wasser, doch auch die sind bekanntlich tief. Schon was Titel und Cover betrifft, kommt der Roman ja unscheinbar daher. Aber er hat es in sich. Idylle oder Thriller? Parabel? Psychogramm? Satire? Surreales? Poetisches? Jede Leseerwartung wird nur scheinbar erfüllt, um dann wieder durchkreuzt zu werden, und auch das Erzählen selbst wird immer wieder thematisiert. Der Autor zitiert in seiner Klappentext-Biografie Sätze aus dem Roman – Wirklichkeit wird zum Roman und umgekehrt. Es gibt brillante Szenen wie die surreal-komische Schilderung eines katastrophalen Morgens. Dazwischen Sätze, die in ihrer Schlichtheit großartig sind: Ich war abhängig von Anweisungen gewesen, ich bin anderen begegnet, deren Wege mich durchschnitten haben. Ich habe die Regeln Fremder erfüllt. Oder: Den Tag nehme ich in meine Hände wie einen Hut und setze ihn auf.

Berndt Schulz, Schöne grüne Welt. Roman. edition federleicht, 14 €.