Unter dem Motto „Einladung an die Waghalsigen“ wurde am 22. Oktober das neue Literaturhaus eröffnet. Bericht von einem wenig waghalsigen, dafür fröhlich warmherzigen Festakt im neuen Saal in der Bertoldstraße.

Hanns-Josef Ortheil beim Festvortrag.

Der Leiter des gewesenen Literaturbüros und neuen Literaturhauses, Martin Bruch, begann mit einem Zitat aus Dorothee Elmigers „Einladung an die Waghalsigen“, zugleich Motto der Eröffnungswoche. Eine bunte Gesellschaft aus Montanakademie und Musikkapelle, Landvermessern und Feuerwehrmännern wird da adressiert, und Bruch setzte die Einladungen bruchlos fort, mit denen, die ihm an diesem Tag besonders wichtig waren: nicht nur die üblichen Verdächtigen von Stadt und Land, Universität und Sponsorenschar, auch seine Vorgänger(innen) zum Beispiel, die schon ab den späten Achtziger Jahren an der Vision eines Hauses für Literatur in Freiburg gesponnen und getüftelt haben. Auch die beiden Baumriesen im Innenhof des neuen Zuhauses vergaß er nicht. Sie haben beide Weltkriege überlebt und stünden, so Bruch, für die Beständigkeit in Zeiten der Umbrüche und Ängste.

„Warum hat das so lange gedauert!“, frage sich nicht nur Oberbürgermeister Dieter Salomon und fasste die Irrungen und Wirrungen der Entstehungsgeschichte des Literaturhauses in einer „Heldengeschichte“ zusammen, die die Schurken bewusst ausspare. In der ersten Reihe der Helden stand für ihn Universitätsrektor Hajo Schiewer,  der in seinem Grußwort den „Mehrwert der Literatur gegenüber dem Faktischen“ betonte. Obwohl die Universität dem Literaturhaus nun mit Raum und Geld zur Seite steht, sei von Gängelung keine Rede. „Universitätsluft macht bekanntlich frei.“

Hanns-Josef Ortheil konzentrierte sich in seiner so kenntnisreichen wie warmherzigen Festrede auf die Vorgeschichte und die aktuelle Funktion von Literaturhäusern. Sie entstanden in ihrer heutigen Form ja erst ab Mitte der Neunziger Jahre, in einer Zeit vielfältiger Umbrüche der literarischen Öffentlichkeit. Literaturagenturen wurden wichtig, die großen Schreibschulen in Hildesheim und Leipzig entstanden, und die Verdrängung der traditionellen Medien durch neue Kommunikationsformen begann. Heute, so Ortheil, seien unsere Literatur-Räume nicht mehr überschaubar. Die „Rilkesche Entrücktheit“ eines einsamen Poeten habe keine Chance mehr. Auch die Literaturhäuser greifen die neuen Formate auf, und ihre Leitung müsse „Impressario-Fähigkeiten in einem Mehrspartenhaus“ entwickeln. Um seinen ehemaligen Schüler und Freund Martin Bruch sei ihm deshalb durchaus „angst und bange“.  Als persönliches Geschenk überreichte er ihm ein leeres Reclamheft mit der Bitte, „das Notieren und Protokollieren keinen Tag zu vergessen“. Bruch und Kollegin Katharina Knüppel bekamen außerdem „Die ideale Lesung“, eine Textsammlung mit witzigen und erstaunlichen Kommentaren von Jandl bis heute.

Den Abschluss bildeten Kürzestlesungen von sechs Freiburger Literatinnen und Literaten aller Generationen, darunter einer der ersten Literaturbüro-Leiter Kai Weyand, die Übersetzerin Ragni Maria Geschwend und Autorin Annette Pehnt. Sie trugen jeweils die erste Seite eines ihrer Bücher vor, bevor man fröhlich auf die zurückhaltend schönen neuen Räumlichkeiten anstieß.